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Dienstag, 1. März 2011

Zuhören, Teil I

Ich mag das Lied. Es ist ruhig. Und schön. Und manchmal braucht man Ruhe, wenn die Nacht beginnt und jemanden, der einen hält.
Jemanden, der einen hört.

Wenn die Nacht beginnt - Pohlmann


Ich sitze auf meinem Fahrrad.
Es ist schon fast ganz dunkel, aber auf den Straßen leuchten die Laternen, die Scheinwerfer der Autos und aus den Läden schimmert das Licht nach draußen in die Dunkelheit. Die Geräusche der Autos, das Gehupe, Gebrause. Das Bimmeln der Straßenbahn, Geplappere der Menschen, das Klappern von fremden Absätzen auf dem Aphalt.
All das höre ich nur gedämpft. Ich hab Kopfhörer in meinen Ohren und höre Musik. Ein paar schöne Lieder, vielleicht erwähne ich sie ein anderes mal noch genauer.
Ich brause also auf meinem Fahrrad durch die kalte Abendluft. Höre die Musik und sonst nichts.


"Und was hast du so am Wochenende gemacht?"
"Ach nicht so viel. War inner Stadt, bei 'ner Freundin und hab da gepennt, ja. Und ach ja, ich war auf XYs Geburtstag, war so witzig! Z hat sich total die Kante gegeben und is dann voll gegen den Schrank-..."
(An jemand ganz anderes gewannt) "Hey, weißt du, was? Mir ist letztens mal wieder PQ über'n Weg gelaufen und hat mir was total cooles erzählt..."
(denkt) "Na toll, vielen Dank für's Zuhören..!"

Unterricht.
Der Lehrer erzählt und erzählt und erzählt. Nicht von langweiligen Sachen, wie üblicherweise, keineswegs. Wichtige, interessante Dinge gibt er von sich. Kein fachspezifisches Gebrabbel, sondern kleine Weisheiten, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hat und hilfreich für seine Schüler sein könnten. Er will sie nicht ärgern oder langweilen, er würde sie gerne begeistern und ermutigen. Eine kleine Motivationsrede. Um ihnen ein bisschen klar zu machen, was für eine schöne Zeit sie gerade durchleben. Dass solch eine Zeit nie mehr wieder kommt. Und dass die Schüler in ihr die wichtigsten, prägensten Erfahrungen machen werden. Freundschaften schließen, die so, wie sie sind, nie mehr die gleichen sein werden. Er versucht wirklich nicht, ihnen ins Gewissen zu reden, von wegen "Lernen, lernen, lernen. Leben ist überbewertet!". Nein. Er möchte ihnen erklären, dass sie das Gleichgewicht zwischen Leben und Schule zu halten versuchen sollten. Es sind vielleicht nur seine Schüler, aber er will ihnen als guter Lehrer in Erinnerung bleiben.
Aber keiner hört ihm zu.

Sie sitzt da. Alles ist laut um sie herum.
Nicht so laut, dass sie sich selbst nicht mehr hören kann, aber laut genug ist es trotzdem.
Sie hat eine wichtige Neuigkeit für ihre Freunde. Zumindest bezeichnet sie diese Leute so. Diese Leute, die ihr manchmal vertraut, manchmal unheimlich fremd vorkommen. Letzteres überwiegt. Es sind kleine Dinge, Sätze, Gesten, Mimiken, die sie verletzten. Wahrscheinlich beabsichtigen diese Leute es nicht, vielleicht schon. Aber sie hat niemand anderen und zu irgendwem möchte sie gehören. Also bleibt sie sitzen und wartet darauf, dass sie irgendwann jemand fragt, ob es irgendwas Neues gibt. Sie sitzt da und wartet, dass sich endlich auch mal alles um sie dreht und sie beachtet wird. Von irgendwem aus dieser Clique. Weil sie weiß, dass es nichts nützen würde, selbst mit Reden anzufangen.
Sie wagt einige kleine Versuche. Aber vergebens.
Keiner hört ihr zu.

Stille. Nichts als Stille.
Sie liegen auf dem Bett. Kopf an Kopf, dicht an dicht. Er hat seine Arm um sie gelegt und sie lehnt sich bei ihm an. Er hört ihren Atem, sie spürt seinen Herzschlag.
Er denkt vielleicht daran, dass er glücklich ist mit ihr. Und dass es so bleiben kann wie es ist. Ohne große Verpflichtungen, ohne große Worte. Wahrscheinlich denkt er an sie.
 Er mag an sie denken, doch er merkt nicht, dass sie sich, obwohl sie so nah neben ihm liegt, so weit weg fühlt. Weil es ihr nicht gut geht. Weil sie nicht weiß, wie sie davon anfangen soll. Von ihren Gedanken, die sie so gerne mit ihm teilen würde, weil sie ihm wirklich vertraut. Aber sie traut sich nicht, hat Angst, dass er sie wegstößt. Oder falsch versteht. Oder überfordert ist mit dem, was sie sagt und befürchtet.
Ihr fehlen Verpflichtungen und große Worte. Von ihm.
Sie versucht ihm irgendwie zu zeigen, dass etwas nicht stimmt. Damit er es ist, der mit einem Gespräch anfängt und diese Stille, die sie so bedrückt und ihn so befreit, unterbricht. Sie schreit innerlich, windet sich und weint. Und will einfach nur, dass er sie hört. Weil sie denkt, dass er der Einzige wäre, der sie immer hört. Ob sie nun redet oder nicht. Dass er es wäre, der sie auch ohne Worte verstehen kann.
Aber er tut es nicht. Er sagt nichts. Er hält sie nur im Arm. Und dass bedrückt sie noch mehr, weil sie nicht weiß, was es bedeuten soll. Sie will einfach nur, dass er sie hört.
Aber das tut er nicht.



Selbsterlebtes, erfahrenes, gefühltes. Aber auch ausgedachtes, überlegtes, gesehenes.
Bald geht's weiter.

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